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Wie der kleine blaue Punkt im Gehirn unseren Schlaf steuert

by Jasmin Gloor
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Der Locus coeruleus rückt zunehmend in den Fokus der Forschung. Er hat wichtige Aufgaben, darunter die Regulierung von Aufmerksamkeit und Schlaf.

Das Gehirn als Getriebesystem

Menschen mit Schlaflosigkeit kennen das quälende Gefühl, das durch nächtliches Wachliegen entsteht. Man sehnt sich nach einem Schalter, der das innere Gedankenchaos beruhigt. Diese Vorstellung ist weniger utopisch, als sie klingt. Wachheit bewegt sich auf einem Kontinuum und wird durch ein Netzwerk von Hirnregionen gesteuert. Im Zentrum dieses Netzwerks steht der Locus coeruleus, auch „blauer Punkt“ genannt.

Der Name ist wörtlich gemeint: Die Neuronen des Locus coeruleus schimmern durch die Produktion des Neurotransmitters Noradrenalin saphirblau. Noradrenalin reguliert unsere körperliche und mentale Erregung. Früher dachte man, der Locus coeruleus sei im Schlaf inaktiv. Heute weiß man jedoch, dass er während des Schlafs gelegentlich aktiv ist. Diese Aktivität könnte die Tiefe unseres Schlafes beeinflussen und Störungen wie Angstbedingte Schlafprobleme lindern.

Der Locus coeruleus liegt im Hirnstamm oberhalb des Nackens und enthält etwa 50.000 Neuronen. Obwohl er bereits im 18. Jahrhundert entdeckt wurde, begann man erst im 20. Jahrhundert, seine zentrale Rolle in der Gehirnkommunikation zu verstehen.

Noradrenalin erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ein Neuron elektrische Signale aussendet. Die Zellen des Locus coeruleus transportieren diesen Neurotransmitter zu anderen Gehirnregionen, wodurch die neuronale Kommunikation verstärkt wird. Verschiedene Rezeptoren reagieren unterschiedlich stark auf Noradrenalin, wodurch verschiedene Gehirnbereiche je nach Aktivitätsniveau unterschiedlich beeinflusst werden.

Mithu Storoni beschreibt den Locus coeruleus in ihrem Buch Hyperefficient als das Getriebe des Gehirns. Je nach Noradrenalinspiegel arbeitet das Gehirn in verschiedenen „Gängen“:

  • Gang 1: Sanfte Aktivität im Locus coeruleus. Die Aufmerksamkeit ist verstreut, Gedanken schweifen ab.
  • Gang 2: Moderates Feuern der Neuronen, wodurch wir uns auf wichtige Aufgaben konzentrieren können.
  • Gang 3: Hohe Aktivität und gesteigerte Wachsamkeit. Das Gehirn reagiert stark auf Reize, aber Konzentration fällt schwer.

Die Tageszeit beeinflusst den Locus coeruleus: Morgens niedrig, tagsüber hoch, abends sinkend.

Nachtwache und Schlafqualität

Nachts sollte der blaue Punkt ruhiger werden, bleibt aber sporadisch aktiv. Forschung von Anita Lüthi zeigt, dass diese Aktivität unsere Schlafqualität beeinflusst. Während der Nacht wechseln wir zwischen verschiedenen Schlafphasen, darunter REM-Schlaf, der für lebhafte Träume bekannt ist, und NREM-Schlaf, der zur zellulären Reinigung beiträgt.

Niedrige Aktivität im Locus coeruleus geht oft dem REM-Schlaf voraus. Bei NREM-Schlaf feuert er etwa alle 50 Sekunden kurz auf. Das aktiviert den Thalamus, ein für die Verarbeitung sensorischer Reize zuständiges Gehirnareal, und erhöht die Wachsamkeit gegenüber äußeren Reizen, ohne jedoch das Tier oder den Menschen aufzuwecken. Lüthi erklärt, dass diese Wachsamkeit für das Überleben in der Natur wichtig war.

Stress erhöht die Aktivität des Locus coeruleus, was zu fragmentiertem Schlaf führen kann. Lüthi vermutet, dass dies auch bei Menschen mit Schlafstörungen relevant ist.

Entspannung durch gezielte Aktivitäten

Neue Forschungen untersuchen, ob Hirnstimulation den Locus coeruleus beruhigen kann. Eine koreanische Studie testet ein Stirn-Headset, das durch Stromimpulse die Aktivität des blauen Punkts dämpfen könnte.

Bis dahin können wir unser Verhalten vor dem Schlafengehen anpassen. Wenn wir müde sind, sollte das Gehirn nicht weiter in den hohen Gang schalten müssen. Laut Storoni könnten Überstimulationen durch Fernsehen oder Smartphones das Schlafproblem verschärfen.

Der Locus coeruleus ist Teil des autonomen Nervensystems. Die sympathische Komponente treibt die Erregung an, während die parasympathische Entspannung fördert. Körperliche Aktivität beeinflusst beide Systeme: Intensive Bewegung wie Laufen aktiviert das sympathische System, sanftes Dehnen hingegen das parasympathische System. Atemübungen wie Pranayama beruhigen ebenfalls das Gehirn.

Meditation und achtsame Bewegungen können helfen, schneller einzuschlafen und die Schlafqualität zu verbessern. Auch ohne einen direkten Schalter zur Gedankendämpfung bietet das Wissen über den Locus coeruleus Wege, den Schlaf durch gezielte Maßnahmen zu optimieren.

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