Automatisierung vernichtet Jobs – und mit ihnen Steuereinnahmen
Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt radikal. Der Genfer Steuerrechtler Xavier Oberson sieht ernste Folgen für die öffentliche Finanzierung. In seiner eleganten Kanzlei hilft er Unternehmen und Reichen beim Steuersparen. Doch gleichzeitig warnt er vor einem Umbruch, der das System ins Wanken bringt.
Als Professor für Steuerrecht an der Universität Genf hat Oberson ein Buch veröffentlicht, das eine brisante Frage stellt: Muss man künstliche Intelligenz besteuern – und wenn ja, wie? Seine Thesen stießen auf scharfe Kritik. Der Vorwurf „neomarxistischer Spinner“ sei noch harmlos, sagt er. So heftig sei er in Fachkreisen noch nie attackiert worden.
Wenn Roboter Menschen ersetzen, verliert der Staat doppelt
Obersons Hauptargument: Künstliche Intelligenz könnte massenhaft Arbeitsplätze ersetzen. Ohne Löhne gibt es keine Kaufkraft – und ohne Konsum sinken die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Sozialausgaben für Erwerbslose.
„Brechen die Einkommen weg, fehlt das Geld für Sozialwerke“, warnt Oberson. Der Staat müsse sich frühzeitig um neue Einnahmequellen bemühen. Zugleich befürchtet er eine zunehmende soziale Spaltung. Nur Menschen mit Kapital profitieren vom KI-Boom. Wer auf ein Gehalt angewiesen ist, steht schnell vor dem Nichts.
Gesparte Löhne als Steuergrundlage – eine neue Sicht auf Wertschöpfung
Wie soll eine solche Steuer konkret aussehen? Für Oberson ist klar: Nicht jeder Staubsaugerroboter braucht eine Steuerplakette. Besteuert werden sollen Unternehmen, die mit KI menschliche Arbeitskraft ersetzen und dadurch Lohnkosten einsparen.
Diese gesparten Löhne könnten wie ein fiktives Einkommen behandelt und versteuert werden – ähnlich wie der Eigenmietwert in der Schweiz. Alternativ ließe sich auch die Technologie direkt besteuern. Auch heute zahlen Unternehmen Steuern, wenn sie durch neue Technologien Gewinne erzielen. „Das hat Innovation nie behindert“, so Oberson.
Er betont jedoch: Eine solche Steuer funktioniert nur, wenn führende Wirtschaftsnationen gemeinsam handeln. Sonst drohen Abwanderungen in Länder ohne KI-Abgaben.
Zustimmung von Bill Gates – Ablehnung von Unternehmern
Oberson ist mit seiner Idee nicht allein. Auch Microsoft-Gründer Bill Gates spricht sich für eine Robotersteuer aus. In der Wirtschaft hingegen lehnt man den Vorschlag überwiegend ab. Dort fürchtet man, dass neue Abgaben den technologischen Fortschritt ausbremsen könnten.
Oberson hält dagegen: „Auch heute zahlen Firmen Steuern auf technische Erfindungen – trotzdem wächst der Innovationsdrang weiter.“ Die Robotersteuer sei weder revolutionär noch wirtschaftsfeindlich, sondern notwendig in einer sich wandelnden Welt.
Noch ist Zeit – aber Konzepte braucht es jetzt
Oberson stimmt mit den Skeptikern in einem Punkt überein: Eine KI-Steuer braucht es heute noch nicht. Der Ausgang der technologischen Entwicklung ist ungewiss. Sollte sich die Bedrohung für Arbeitsplätze als übertrieben herausstellen, entfällt die Notwendigkeit für neue Abgaben.
Doch wenn die pessimistische Prognose zutrifft, drohen massive finanzielle Einbrüche. Für Oberson ist klar: Der Staat muss vorbereitet sein. Besser, man entwirft rechtzeitig Modelle für morgen, als später überhastet reagieren zu müssen.