An der Universität Oxford tranken Akademiker jahrzehntelang aus einem Kelch, der aus einem menschlichen Schädel gefertigt wurde. Das Gefäß, ein polierter Hirnschädel mit Silberfassung, kam bei offiziellen Abendessen am Worcester College bis 2015 zum Einsatz. Später diente es zur Darreichung von Pralinen, nachdem es undicht wurde.
2019 bat das College den Archäologen Dan Hicks, die Herkunft des Objekts zu untersuchen. Seine Recherchen sind Teil des Buchs Every Monument Will Fall, das koloniale Gewalt durch geraubte menschliche Überreste dokumentiert.
Schädel vermutlich einer versklavten Frau entnommen
Die Kohlenstoffdatierung ergab ein Alter von rund 225 Jahren. Laut Hicks deuten Größe und Umstände auf die Karibik hin. Der Schädel könnte einer versklavten Frau gehört haben. Eine eindeutige Identifikation war nicht möglich.
Der britische Spender George Pitt-Rivers schenkte das Gefäß 1946 dem Worcester College. Sein Name ist auf dem Silberrand eingraviert. Pitt-Rivers war Eugeniker und wurde im Zweiten Weltkrieg wegen seiner Nähe zu Oswald Mosley interniert.
Sein Großvater, Augustus Pitt Rivers, erwarb das Gefäß 1884 bei Sotheby’s. Es hatte damals einen Holzsockel mit eingelassener Queen-Victoria-Münze. Das Silber stammt aus dem Jahr ihrer Krönung, 1838.
Universität reagiert auf wachsenden Druck
Worcester College bestätigte, dass der Kelch im 20. Jahrhundert gelegentlich mit dem Tafelsilber gezeigt und genutzt wurde. Nach 2011 wurde der Gebrauch stark eingeschränkt. Seit 2015 ist das Objekt vollständig aus dem Verkehr gezogen.
Die Hochschule entschied, das Gefäß unter Verschluss im Archiv aufzubewahren und dauerhaft unzugänglich zu machen. Hicks lobte diesen Schritt als verantwortungsvoll.
In seinem Buch beschreibt er auch weitere Fälle. Etwa jenen von Lord Grenfell, der 1879 den Schädel eines Zulu-Kommandeurs nach einer Schlacht ausgrub und aufbewahrte. Hicks sieht darin den Versuch, koloniale Opfer zu entmenschlichen und deren Geschichte auszulöschen.