KI entwickelt sich schneller als Menschen anpassen können
Der Chef eines führenden Unternehmens für künstliche Intelligenz warnt eindringlich vor massiven Folgen für den Arbeitsmarkt. Politik und Wirtschaft zeigen sich seiner Meinung nach unvorbereitet auf das, was kommt.
„Künstliche Intelligenz übertrifft den Menschen inzwischen bei fast allen kognitiven Aufgaben. Wir stehen als Gesellschaft vor einer gewaltigen Herausforderung“, erklärte Dario Amodei, Geschäftsführer von Anthropic, in einem Interview am Donnerstag. „Diese Technologie wird nicht nur besser in meinem Job, sondern auch in dem anderer Geschäftsführer.“
Büroarbeit in Gefahr: 20 Prozent Arbeitslosigkeit möglich
Laut Amodei könnten KI-Systeme, wie sie sein Unternehmen und andere derzeit entwickeln, in den kommenden fünf Jahren etwa die Hälfte aller einfachen Büroarbeitsplätze ersetzen. Die Folge könnte eine US-Arbeitslosenquote von bis zu 20 Prozent sein – ein Wert, der zuletzt während der Corona-Krise vorübergehend erreicht wurde.
Ökonomen und Wissenschaftler warnen seit Jahren vor ähnlichen Entwicklungen. Eine globale Umfrage zeigte, dass bis 2030 über 40 Prozent der Unternehmen wegen KI-Potential Arbeitsplätze abbauen wollen.
Amodeis Aussagen wirken besonders ernst, weil sie direkt aus der Führungsetage eines marktbestimmenden Unternehmens kommen – und weil sein Unternehmen bereits KI-Modelle anbietet, die den Arbeitsalltag ganztägig automatisieren können.
Auch hochqualifizierte Berufe sind nicht sicher
Frühere technologische Veränderungen trafen häufig Jobs mit niedriger Qualifikation. Diesmal sieht Amodei aber auch Spezialisten in Gefahr, deren Berufe jahrelange Ausbildung und hohe Investitionen erfordern. Für sie könnte eine berufliche Neuorientierung besonders schwierig werden.
Er schlägt sogar eine Abgabe für KI-Firmen vor. „Wenn KI riesige Vermögenswerte erzeugt, profitieren zunächst die Unternehmen – nicht die Allgemeinheit. Das liegt zwar nicht in meinem wirtschaftlichen Interesse, aber ich halte es für notwendig, darüber zu diskutieren – parteiunabhängig“, so Amodei.
Wandel der Arbeitswelt nimmt Tempo auf
Forscher prognostizieren tiefgreifende Veränderungen in zahlreichen Berufen – von juristischen Assistenzen über Lohnbuchhaltung bis hin zu Softwareentwicklung. Große Konzerne machen bereits konkrete Angaben: Meta-Chef Zuckerberg rechnet damit, dass KI bald die Hälfte des Codes seines Unternehmens schreiben wird. Microsoft meldet, dass bereits jetzt fast ein Drittel durch KI erzeugt wird.
Amodei erklärte, dass etwa 60 Prozent der Nutzer KI derzeit zur Unterstützung menschlicher Arbeit einsetzen. 40 Prozent automatisieren komplette Prozesse – mit stark steigender Tendenz.
Vergangene Woche präsentierte Anthropic ein neues KI-Modell, das fast sieben Stunden ununterbrochen eigenständig arbeitet – ohne Kontrolle durch Menschen. Laut Amodei unterschätzen viele, wie schnell sich KI entwickelt. Er empfiehlt jedem Bürger, sich intensiv mit KI vertraut zu machen.
„Technologischer Wandel ist nichts Neues“, sagt Amodei. „Doch diesmal ist er schneller, breiter und schwerer zu steuern. Das überrascht sogar Fachleute.“
Warnung mit Kalkül – und ehrlichem Anliegen
Einige Stimmen bezweifeln, dass das Wachstum der KI unbegrenzt weitergeht. Sie erwarten ein baldiges Plateau, wenn frei zugängliche Daten zur Modellschulung knapp werden. Andere Experten vermuten, dass nicht komplette Berufe verschwinden, sondern nur bestimmte Aufgaben – was Menschen mehr Freiraum für komplexe Tätigkeiten verschaffen könnte.
Trotz unterschiedlicher Einschätzungen sind sich viele Fachleute einig: Die Wirtschaft muss sich jetzt auf die Folgen vorbereiten. Ein Wirtschaftswissenschaftler betonte, dass intelligente Maschinen künftig sogar neue Berufsfelder schneller erlernen könnten als Menschen.
Gleichzeitig sieht Amodei auch Chancen: „Ich würde diese Technologie nicht entwickeln, wenn ich nicht daran glauben würde, dass sie Leben verbessert – etwa durch Fortschritte in der Medizin“, sagte er.
Mit seinen Aussagen positioniert sich Amodei auch strategisch. In der KI-Welt zählt nicht nur technische Spitzenleistung, sondern auch Verantwortung und Glaubwürdigkeit. Politik und Öffentlichkeit verlangen zunehmend Transparenz über Nutzen und Risiken.
Eine renommierte Zukunftsforscherin sagte: „Amodei verfolgt mehrere Ziele gleichzeitig: Aufklärung, Selbstschutz, Imagepflege und Einflussnahme. Wenn niemand auf seine Warnung hört, kann ihm später niemand Untätigkeit vorwerfen.“
Amodei selbst schloss mit einer eindringlichen Botschaft: „Wir können diesen Prozess nicht stoppen“, sagte er. „Aber vielleicht können wir ihn lenken, die Gefahren erkennen und die Vorteile nutzen.“