Zentrumsparteien Einigen Sich auf Regierung
Nach monatelangen Verhandlungen haben sich drei österreichische Zentrumsparteien auf eine Regierungsbildung ohne die rechtspopulistische FPÖ geeinigt. Die Einigung erfolgt fünf Monate nach den Parlamentswahlen, bei denen die FPÖ die meisten Stimmen erhielt.
Die Mitte-rechts-ÖVP, die Sozialdemokraten (SPÖ) und die liberalen Neos haben ein 200-seitiges Regierungsprogramm verabschiedet. Die Hauptziele sind die wirtschaftliche Erholung und die Reduzierung des Haushaltsdefizits.
ÖVP-Chef Christian Stocker, der voraussichtlich neuer Bundeskanzler wird, erklärte am Donnerstag, dass die Parteien intensiv an einer gemeinsamen Strategie gearbeitet hätten. Ein erster Koalitionsversuch im Januar war gescheitert, was weitere Verhandlungen erforderlich machte.
Gescheiterte Verhandlungen mit der FPÖ
Die Einigung beendet eine Phase der Unsicherheit nach dem Wahlerfolg der FPÖ, die knapp 29 % der Stimmen erhielt. Die ÖVP hatte zunächst versucht, mit der FPÖ zu koalieren, doch die Gespräche scheiterten an Differenzen über EU-Politik, Asylregelungen und Ministerposten.
Die FPÖ beanspruchte die Kontrolle über das Innen- und Finanzministerium, was die ÖVP strikt ablehnte. Wäre es zu einer Einigung gekommen, hätte Österreich die erste rechtspopulistische Regierung seit dem Zweiten Weltkrieg bekommen. FPÖ-Chef Herbert Kickl forderte eine massive “Remigration”-Politik sowie das Ende der Ukraine-Hilfen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte die Parteien gedrängt, rasch eine Einigung zu finden, da das Land seit Monaten ohne funktionierende Regierung war. Die Besetzung der Ministerposten soll am Freitag bekannt gegeben werden.
Regierungsprogramm und Herausforderungen
Stocker bezeichnete die Verhandlungen als „eine der schwierigsten in der Geschichte Österreichs“. Er verwies auf drängende Herausforderungen wie die wirtschaftliche Stagnation, Migration und den Ukraine-Krieg. Stocker, ein 64-jähriger Jurist und erfahrener Politiker, übernahm die Führung der ÖVP, nachdem Ex-Kanzler Karl Nehammer im Januar zurückgetreten war.
Die neue Regierung plant strengere Asylregelungen, die Einrichtung von “Rückkehrzentren” für abgelehnte Asylbewerber und einen möglichen Antragsstopp bei steigenden Zahlen. Zudem ist ein Kopftuchverbot in der Verfassung vorgesehen. Trotz dieser Maßnahmen betont die Koalition ihr Bekenntnis zur Europäischen Union.
Die ÖVP und SPÖ haben bereits in der Vergangenheit in “großen Koalitionen” zusammengearbeitet. Im aktuellen Parlament verfügen sie über eine knappe Mehrheit mit 92 von 183 Sitzen. Die Neos bringen weitere 18 Sitze ein, um die Stabilität der Regierung zu sichern.
Vor dem Inkrafttreten muss die Vereinbarung noch von den Parteiführungen der ÖVP und SPÖ sowie von zwei Dritteln der Neos-Mitglieder auf einem für Sonntag geplanten Parteitag genehmigt werden.
Politikanalyst Thomas Hofer erwartet, dass die Koalition stabil bleibt, warnt jedoch vor großen Herausforderungen. Die Popularität der Zentrumsparteien ist gesunken – die ÖVP fiel von 26 % im September auf 19 %. Gleichzeitig stieg die FPÖ in Umfragen auf fast 35 % und könnte bei künftigen Wahlen noch stärker abschneiden. Kickl bezeichnete die neue Regierung als “Koalition der Verlierer” und fordert weiterhin Neuwahlen.