Die umfassende Reform des Sexualstrafrechts im letzten Jahr führte zu intensiven Diskussionen. Obwohl sich das Parlament nicht auf die sogenannte Zustimmungslösung einigte, zeigten sich viele linke Politikerinnen, besonders SP-Nationalrätin Tamara Funiciello, erfreut über den Fortschritt.
Anwältin Paula Custer von der Kanzlei Helvetiaplatz in Zürich vertritt Opfer sexueller Übergriffe. Über laufende Fälle darf sie noch nicht sprechen, doch sie beobachtet ein verändertes Denken bei den Betroffenen. „Die Umstände haben sich geändert. Wir müssen zwar immer noch erklären, warum der Übergriff geschah, aber die Betonung liegt nicht mehr auf der Gegenwehr des Opfers“, erklärt sie.
Polizei und Medizin besser geschult
Laut Custer spielt das professionelle Umfeld eine wichtige Rolle. In Zürich zeigen sich deutliche Verbesserungen. Polizei und Spitäler arbeiten mittlerweile sensibilisierter. Speziell ausgebildete Forensic Nurses sichern nun frühzeitig Beweise, was für spätere Gerichtsverfahren entscheidend ist. „Diese Beweise verhindern, dass Aussage gegen Aussage steht“, so die Juristin.
Die neue Gesetzeslage spiegelt sich auch in den Statistiken: 2023 wurden über 3.400 Sexualdelikte angezeigt – erneut ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr.
Umsetzung der Reform verläuft ungleich
Funiciello sieht den Grund für den Anstieg in der gestiegenen Sichtbarkeit: „Die Öffentlichkeit spricht heute mehr über das Thema. Frauen zeigen Übergriffe deshalb häufiger an.“ Sie lobt die gestiegene Ernsthaftigkeit im Umgang mit Opfern, weniger Schuldzuweisungen und mehr Verständnis.
Allerdings kritisiert sie die ungleiche Umsetzung in den Kantonen. Während etwa Zürich oder die Waadt bei Täterprogrammen klare Fortschritte zeigen, hinken andere Kantone hinterher. Einige hätten laut Funiciello mit der Umsetzung noch gar nicht begonnen.