Ein Bericht der Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) zeigt, dass große Technologiekonzerne die Entwicklung europäischer KI-Standards stark beeinflussen. Mehr als 55 % der 143 Mitglieder des Gemeinsamen Technischen Ausschusses für KI (JTC21) stammen aus Unternehmen oder Beratungsfirmen. Dieser Ausschuss wurde von den europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC gegründet.
Fast ein Viertel der Unternehmensvertreter kommt aus den USA, darunter vier Mitglieder von Microsoft und IBM, zwei von Amazon und mindestens drei von Google. Dagegen machen zivilgesellschaftliche Organisationen nur 9 % der Mitglieder aus, was Zweifel an der Vielfalt und Ausgewogenheit im Normungsprozess aufwirft.
Das 2023 verabschiedete KI-Gesetz verfolgt einen risikobasierten Ansatz zur Regulierung und wird schrittweise umgesetzt. Die Europäische Kommission beauftragte CEN-CENELEC und ETSI, harmonisierte Standards zu entwickeln, die für verschiedene Branchen gelten und Sicherheitsanforderungen für Produkte wie Spielzeug und medizinische Geräte gewährleisten.
Kritik an der Einflussnahme von Privatunternehmen
Der Bericht von CEO kritisiert die Delegation politischer Entscheidungen zur KI-Regulierung an private Organisationen durch die Europäische Kommission. „Erstmals werden Standards verwendet, um Themen wie Grundrechte, Fairness und Vorurteile zu regeln“, erklärte CEO-Forscher Bram Vranken.
Normungsgremien priorisieren oft Prozesse über konkrete Ergebnisse, was die Durchsetzung erschwert, sagte JTC21-Vorsitzender Sebastian Hallensleben. Eine CE-Kennzeichnung, die harmonisierte Standards erfüllt, garantiert nicht automatisch, dass ein KI-System frei von Vorurteilen oder Diskriminierung ist.
CEO analysierte auch nationale Normungsgremien in Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden. Der Bericht zeigt, dass dort Unternehmensinteressen dominieren, die 56 %, 50 % und 58 % der Mitglieder ausmachen.
Standardisierung muss beschleunigt werden
Die Europäische Kommission verteidigte ihren Ansatz und erklärte, dass die CEN-CENELEC-Standards gründlich geprüft werden, um ihre Konformität mit dem KI-Gesetz sicherzustellen. Nur Standards, die hohe Anforderungen für KI-Systeme erfüllen, werden ins Amtsblatt aufgenommen. Die Kommission wies zudem auf Schutzmaßnahmen hin, wie die Möglichkeit für Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament, Normen abzulehnen.
Dennoch besteht Besorgnis über das langsame Tempo der Standardisierung. Ein hochrangiger Vertreter der niederländischen Datenschutzbehörde Autoriteit Persoonsgegevens (AP) betonte, dass die Prozesse beschleunigt werden müssen. „Normierungsprozesse dauern oft Jahre. Es ist wichtig, das Tempo zu erhöhen“, sagte er.
Jan Ellsberger, Vorsitzender von ETSI, äußerte ähnliche Bedenken und betonte, dass die Einführung neuer Standards Monate bis Jahre dauern könne. „Normung ist eine freiwillige Initiative der Industrie. Mehr Engagement seitens der Unternehmen kann den Prozess beschleunigen“, erklärte Ellsberger gegenüber Euronews.
Der Bericht macht deutlich, dass der Einfluss großer Technologieunternehmen die Balance im Normungsprozess gefährden könnte. Gleichzeitig wird betont, wie wichtig eine inklusive und rechtzeitige Standardisierung ist, um Fairness und Verantwortlichkeit in der KI zu gewährleisten.