Revolutionäre Himmelsbeobachtung beginnt in Chile
Mit atemberaubenden Bildern entfernter Galaxien, Asteroiden und kosmischer Staubwolken hat das Vera-C.-Rubin-Observatorium in Chile seine Arbeit aufgenommen. Die ersten Aufnahmen markieren den Start eines zehnjährigen Großprojekts zur Durchmusterung des gesamten südlichen Himmels. Das 810 Millionen Dollar teure Teleskop, auf dem Berg Cerro Pachón in den Anden erbaut, nutzt die größte je gebaute Digitalkamera und wird alle drei bis vier Tage den Himmel scannen – zehn Jahre lang.
In nur zehn Stunden Beobachtungszeit entdeckte das Teleskop 2.104 bislang unbekannte Asteroiden, darunter sieben nahe der Erde, die aber keine Gefahr darstellen. „Ich bin überwältigt – überall leuchten herrlich glitzernde Galaxien!“, sagte Prof. Catherine Heymans von der Universität Edinburgh begeistert. Besonders bedeutungsvoll: Die ersten Bilder zeigen den Virgo-Galaxienhaufen – ein zentraler Ort in der Geschichte der Dunklen Materie, wie sie Fritz Zwicky in den 1930ern erstmals postulierte.
Ein digitales Universum in beispielloser Auflösung
Das Herzstück des Teleskops ist eine 3.200-Megapixel-Kamera – so groß wie ein Kleinwagen. Ein einzelnes Bild würde auf 400 Ultra-HD-Fernsehern gleichzeitig Platz finden. Über zehn Jahre hinweg entsteht so das größte astronomische Zeitraffer-Filmarchiv der Geschichte. Die Aufnahmen sollen nicht nur Milliarden Sterne und Galaxien erfassen, sondern auch bewegliche Himmelskörper wie Kometen, neue Planeten oder Supernovae dokumentieren. Sobald das System eine Veränderung entdeckt, informiert es Astronomen weltweit innerhalb von Minuten.
Das Rubin-Observatorium gehört zwar den USA, doch Großbritannien spielt mit einem der drei internationalen Datenzentren eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung der täglich entstehenden 1,5 Millionen Bilder. Insgesamt wird das Projekt rund 500 Petabyte Daten generieren – das entspricht etwa 100 Millionen DVDs.
Dunkle Materie, Asteroiden und ein möglicher neunter Planet
Ein besonderer Fokus der Forschenden liegt auf dem Dunklen Universum – also den 95 % der Kosmos-Materie, die nicht sichtbar, aber durch ihre Wirkung nachweisbar ist. Mithilfe der neuen Daten wollen Wissenschaftler nachvollziehen, wie Dunkle Materie im Universum verteilt ist und sich im Laufe der Zeit verändert. Auch die beschleunigte Ausdehnung des Universums durch Dunkle Energie lässt sich anhand von Millionen Supernova-Beobachtungen besser verstehen.
Die Astronomen erwarten zudem zahlreiche neue Entdeckungen im Sonnensystem. Man rechnet mit etwa 90.000 bisher unentdeckten erdnahen Asteroiden – mehr als doppelt so viele, wie derzeit bekannt sind. Darunter könnten auch Objekte sein, die eines Tages mit der Erde kollidieren könnten. Das Rubin-Teleskop soll helfen, solche Himmelskörper rechtzeitig zu identifizieren.
Trotz der zunehmenden Zahl an Satelliten – etwa durch SpaceX’ Starlink-Netzwerk – wird die Forschung nicht ernsthaft beeinträchtigt: Automatisierte Programme erkennen und entfernen die störenden Lichtstreifen aus den Aufnahmen zuverlässig.
Prof. Heymans fasst zusammen: „Rubin ist ein Arbeitstier. Das ist das Instrument, auf das wir seit Jahren hingearbeitet haben. Es ist das ultimative Teleskop.“