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Ein Dorf in Japan verwandelt Kuhmist in Wasserstoff

by Jasmin Gloor
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In Japan erhält ein übelriechendes Abfallprodukt eine neue Bedeutung. Es wird zu einer sauberen Energiequelle für Fahrzeuge und Maschinen.

Dutzende Kühe beobachten uns misstrauisch. Ihr Atem steigt dampfend in die kalte Morgenluft.

Eine nachhaltige Lösung für Hokkaidos Landwirtschaft

Es ist ein frostiger Morgen auf Hokkaido, Japans zweitgrößter Insel. Die Luft trägt den intensiven Geruch von Kuhmist, ein Nebenprodukt der florierenden Milchindustrie. Über eine Million Kühe leben hier und produzieren mehr als die Hälfte der japanischen Milchprodukte.

Eine Farm in Hokkaido hat eine innovative Idee. Sie verwandelt den übelriechenden Mist in wertvollen Wasserstoff. Wasserstoff verbrennt ohne Kohlenstoffemissionen und könnte fossile Brennstoffe ersetzen.

Die gängigste Wasserstoffproduktion basiert auf Methan, einem fossilen Brennstoff mit erheblichen Emissionen. Eine andere Methode spaltet Wasser mit Strom, ist aber teuer und nur umweltfreundlich, wenn erneuerbare Energie genutzt wird. Die Shikaoi Hydrogen Farm setzt jedoch auf eine nachhaltigere Quelle: Kuhmist.

Jährlich entstehen auf Hokkaido 20 Millionen Tonnen Kuhmist. Unbehandelt belastet er die Umwelt, indem er Methan freisetzt und das Wasser verschmutzt. Doch als Wasserstoffquelle könnte er sinnvoll genutzt werden. „Dieses Projekt ist einzigartig in Japan“, sagt Maiko Abe von Air Water, einem beteiligten Unternehmen. Shikaoi verarbeitet 30 % des Kuhmists in Hokkaido und besitzt enormes Potenzial für erneuerbare Energien.

Das japanische Umweltministerium startete das Projekt 2015. Ziel ist es, landwirtschaftliche Abfälle in Wasserstoff umzuwandeln und eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Der gesammelte Kuhmist wird in eine Biogasanlage geleitet. Dort zerlegen Bakterien die organische Masse und produzieren Biogas und Flüssigdünger. Anschließend wird das Biogas zu Methan gereinigt, das als Ausgangsstoff für Wasserstoff dient.

Herausforderungen und Chancen der Wasserstoffproduktion

Die Anlage kann täglich 70 Kubikmeter Wasserstoff erzeugen und bis zu 28 Fahrzeuge betanken. Neben Autos profitieren landwirtschaftliche Maschinen wie Traktoren und Gabelstapler von der Technologie. Diese Fahrzeuge sind schwer zu elektrifizieren, da Batterien für ihre Größe und Arbeitslast ungeeignet sind.

Der erzeugte Wasserstoff wird auch in Druckbehältern gespeichert und für lokale Einrichtungen wie eine Stör-Farm oder den Obihiro-Zoo genutzt. Doch Wasserstoff hat Herausforderungen. Er muss unter hohem Druck gelagert werden und kann aufgrund seiner geringen Molekülgröße entweichen. Zudem macht er Metalle spröde und erfordert spezielle Sicherheitsmaßnahmen. Flüssiger Wasserstoff benötigt extrem niedrige Temperaturen, was zusätzliche Energie und Infrastruktur erfordert.

Trotz dieser Hürden bleibt das Projekt in Shikaoi vielversprechend. Der Wasserstoff wird durch Dampfreformierung von Methan gewonnen. Während dieser Prozess normalerweise CO₂ freisetzt, bleibt das Projekt klimaneutral. Das Kohlendioxid stammt ursprünglich aus dem Gras, das die Kühe fressen, und gelangt somit nicht zusätzlich in die Atmosphäre. Zudem verhindert das Verfahren, dass Methan unkontrolliert in die Umwelt gelangt, wo es als Treibhausgas 25-mal schädlicher als CO₂ ist.

Auch Nebenprodukte werden sinnvoll genutzt. Die Gärreste aus der Biogasanlage dienen als Dünger, und Ameisensäure, ein weiteres Nebenprodukt, könnte als Konservierungsmittel für Viehfutter verwendet werden.

Noch stammt der benötigte Strom aus dem nationalen Netz. Doch Hokkaido bietet Potenzial für grüne Energie aus Wind, Wasser und Geothermie. Langfristig könnte dies die CO₂-Emissionen weiter senken.

Herausforderungen bleiben bestehen. Wasserstoff ist teurer als fossile Brennstoffe, und die geringe Nachfrage erschwert die Expansion. „Der Bau von Wasserstofftankstellen ist sehr teuer“, sagt Abe. „Da Wasserstofffahrzeuge noch selten sind, halten wir die Kapazität niedrig.“ Um die Nutzung zu fördern, subventioniert die Anlage den Wasserstoffpreis, sodass er mit Benzin konkurrieren kann. In Hokkaidos Großstädten wie Sapporo und Muroran entstehen weitere Wasserstofftankstellen.

Japan investiert stark in Wasserstofftechnologien und ist weltweit führend bei wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen. Dennoch bleiben batteriebetriebene Elektroautos aktuell günstiger. Kuhmist allein wird Japans Wasserstoffbedarf nicht decken, kann aber einen wichtigen Beitrag leisten. Shikaoi schafft ein Modell für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, die langfristig wirtschaftlicher werden könnte.

Auch weltweit wächst das Interesse an Wasserstoff aus Abfall. In Thailand untersucht Toyota Wasserstoff aus Hühnermist. Forscher in den USA nutzen Zuckerrohrabfälle und Maisreste, um Wasserstoff effizienter zu gewinnen. In Fukuoka, einer Stadt im Süden Japans, entsteht Wasserstoff aus menschlichen Abfällen. Seit mehr als zehn Jahren wird dort Klärschlamm in Wasserstoff umgewandelt, um emissionsfreie Müllfahrzeuge anzutreiben.

Die globale Entwicklung zeigt: Selbst aus den ungewöhnlichsten Quellen kann nachhaltige Energie entstehen. Japanische Projekte wie Shikaoi beweisen, dass Abfall eine wertvolle Ressource sein kann – wenn er richtig genutzt wird.

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