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Durchbruch in der Demenzforschung: Lebendes Hirngewebe zur Untersuchung von Alzheimer eingesetzt

by Katharina Eberharter
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Forscher simulieren Krankheitsbeginn in menschlichem Gehirn

Wissenschaftler haben erstmals lebendes menschliches Hirngewebe verwendet, um die Entstehung von Alzheimer direkt zu beobachten. In einem wegweisenden Projekt setzten britische Forscher gesundes Hirngewebe von NHS-Patienten einer toxischen Form des Proteins Amyloid-Beta aus. Dieses Protein stammt aus dem Gehirn verstorbener Alzheimer-Patienten und ist stark mit der Erkrankung verbunden.

Die Studie simuliert in Echtzeit, wie Alzheimer Gehirnzellen schädigt. Die Methode erlaubt es, den Beginn der Krankheit direkt in menschlichem Hirngewebe zu verfolgen – ein bisher nie erreichter Einblick. Experten sehen darin eine große Chance, neue Medikamente schneller zu entwickeln und die Forschung erheblich zu beschleunigen.

Die Zahl der Demenzbetroffenen wird bis 2050 auf weltweit rund 153 Millionen steigen. Angesichts dieser Prognose ist es entscheidend, neue Wege in der Forschung zu finden. Die Möglichkeit, die Krankheit in menschlichem Hirngewebe zu untersuchen, gilt als vielversprechender Schritt in Richtung Heilung.

Echte Gehirnzellen statt Tierversuche

Für die Studie arbeiteten Neurowissenschaftler mit Chirurgen am Royal Infirmary of Edinburgh zusammen. Während der Entfernung von Hirntumoren entnahmen sie winzige, gesunde Gewebeproben. Diese wären sonst entsorgt worden. In OP-Sälen warteten bereits Forscher in Kitteln, um die Proben entgegenzunehmen. Sofort danach wurden die Proben in mit Sauerstoff angereicherter Flüssigkeit in Glasbehältern transportiert.

„Wir sind praktisch ins Labor zurückgerannt“, sagte Dr. Claire Durrant, Forschungsleiterin der University of Edinburgh. Dort wurden die Proben in hauchdünne Scheiben geschnitten und in nahrhafter Flüssigkeit bei 37 Grad Celsius im Inkubator gelagert. Die Experimente begannen unmittelbar nach der Präparation.

Die Gehirnscheiben blieben bis zu zwei Wochen am Leben. Danach behandelten die Forscher das Gewebe mit toxischem Amyloid-Beta. Im Gegensatz zur normalen Form des Proteins zeigte das Gewebe keine Reparaturreaktion – ein Hinweis auf die zerstörerische Wirkung der toxischen Variante. Schon kleinste Abweichungen vom natürlichen Gleichgewicht des Proteins führten zu Funktionsstörungen.

Laut Durrant braucht das Gehirn eine exakt ausbalancierte Menge Amyloid-Beta, um korrekt zu arbeiten. Zu viel oder zu wenig kann die neuronale Kommunikation stören.

Wichtiger Schritt zur Therapieentwicklung

Diese Erkenntnisse ermöglichen es Forschern, gezielter nach Wirkstoffen zu suchen, die den Abbau von Synapsen verhindern. Synapsen verbinden Nervenzellen miteinander und sind für Gedächtnis und Denkvermögen entscheidend. Alzheimer zerstört diese Verbindungen – ein Prozess, der eng mit kognitivem Abbau verbunden ist.

Das Team stellte zudem fest, dass Gewebe aus dem Temporallappen – einem Bereich, der früh von Alzheimer betroffen ist – besonders hohe Mengen des Proteins Tau freisetzt. Dies könnte erklären, warum diese Hirnregion so anfällig ist, da das Protein dort möglicherweise schneller zwischen Zellen weitergegeben wird.

Die Studie wurde von der Stiftung Race Against Dementia und der James Dyson Foundation mit einer Million Pfund unterstützt. Der Stifter Sir Jackie Stewart gründete die Organisation nach der Demenzdiagnose seiner Ehefrau. Dyson bezeichnete die Methode als entscheidenden Fortschritt, weil sie Forschern erstmals erlaubt, Alzheimer in lebendem menschlichem Gewebe zu analysieren – statt auf Tiermodelle wie Mäuse zurückzugreifen.

Prof. Tara Spires-Jones vom UK Dementia Research Institute lobte die Arbeit als „bedeutende Entwicklung“. Sie sagte, dass die Möglichkeit, Alzheimer im Frühstadium live zu beobachten, ein wichtiges neues Werkzeug darstelle. Dies werde es künftig auch ermöglichen, Therapien direkt an menschlichem Hirngewebe zu testen.

„Die großzügige Spende lebender Gewebeproben durch Patienten ermöglicht es uns, zu verstehen, wie das menschliche Gehirn auf toxische Alzheimer-Proteine reagiert“, sagte sie. „Und das bringt uns der Heilung ein großes Stück näher.“

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