Volksentscheid wird umgangen – Widerstand wächst
Im vergangenen November lehnte das Stimmvolk den Autobahnausbau ab. Trotzdem fordern bürgerliche Politiker in der Ostschweiz neue Tunnel. FDP, SVP und Mitte wollen Teilprojekte durchsetzen, obwohl die Bevölkerung ein klares Nein ausgesprochen hat. Bundesrat Albert Rösti signalisiert Unterstützung und will zentrale Projekte erneut prüfen lassen.
Rosenbergtunnel in St. Gallen wird saniert – neue Sperrung schon geplant
Derzeit laufen in St. Gallen umfangreiche Sanierungen am Rosenbergtunnel. Jede Nacht arbeiten bis zu 100 Bauarbeiter an der maroden Stadtautobahn. Bis 2026 soll die Sanierung abgeschlossen sein. Doch schon in zehn Jahren droht die nächste Baustelle. Dann müssen beide Tunnelröhren gleichzeitig gesperrt werden. Die Stadt müsste den gesamten Verkehr umleiten.
FDP-Kantonsrat warnt vor täglichem Verkehrschaos
Der St. Galler FDP-Kantonsrat Oskar Seger sieht dramatische Folgen für die Region. «Dieser Ausweichverkehr wäre unerträglich für Bevölkerung und Wirtschaft», sagt er. Rund 40’000 Fahrzeuge würden sich täglich durch das Zentrum drängen. Seger fordert deshalb eine dritte Tunnelröhre, um langfristige Verkehrsprobleme zu verhindern.
Ostschweizer Allianz will Ausbau durchdrücken
Die FDP arbeitet eng mit SVP und Mitte zusammen. Gemeinsam wollen sie neben dem Rosenbergtunnel auch den Fäsenstaub-Tunnel in Schaffhausen erweitern. Auch dort steht eine Totalsanierung bevor. Die Bürgerlichen fordern zusätzliche Röhren als Ausweichmöglichkeit. In fünf Ostschweizer Kantonen laufen Standesinitiativen. Drei Parlamente haben diese bereits nach Bern überwiesen. Die beiden Appenzell dürften im Herbst folgen. Auch die Handelskammer beider Basel plant eine Initiative für den Rheintunnel.
Grüne kritisieren Taktik der Bürgerlichen
Auf linker Seite sorgt die bürgerliche Offensive für heftige Kritik. Aline Trede, Fraktionspräsidentin der Grünen, sieht ein falsches Spiel. «Mehr Strassen erzeugen mehr Verkehr – das ist statistisch belegt», sagt sie. Neue Tunnel lösten keine Probleme, sondern verschärften sie. Trede warnt vor einem politischen Dammbruch. «Es ist ein demokratiepolitisches Problem, wenn man Volksentscheide auf Umwegen aushebelt.»
Seger: Ostschweizer Projekte hatten Zustimmung
Oskar Seger hält dagegen. Er betont, dass im November über ein Gesamtpaket mit sechs Projekten abgestimmt wurde. Die beiden Tunnelvorhaben in der Ostschweiz hätten regional grosse Zustimmung erhalten. Aus seiner Sicht ist es deshalb gerechtfertigt, diese einzeln weiterzuverfolgen. Der Bund müsse auf die Bedürfnisse der Regionen Rücksicht nehmen.
Bundesrat Rösti zeigt sich offen für Neuprüfung
Bundesrat Albert Rösti stellte sich öffentlich hinter die Anliegen der Ostschweiz. Er sagte, bei Tunnelprojekten bestünden die grössten Engpässe. Der Bund plane deshalb, die Lage neu zu bewerten. Tunnelbauten könnten die Widerstandsfähigkeit des Strassennetzes stärken. Eine neue Priorisierung soll bis Herbst vorliegen.
Ohne nationale Lösung kaum Erfolgschance
Ein Ausbaupaket nur für die Ostschweiz hätte politisch kaum Chancen. Die restliche Schweiz müsste hohe Kosten mittragen, ohne direkt zu profitieren. Nach dem klaren Volks-Nein ist eine einseitige Lösung unwahrscheinlich. Bundesrat Rösti plant deshalb, Strassen- und Bahnprojekte zu kombinieren. Nur ein ausgewogenes Gesamtpaket könnte nötige Mehrheiten sichern. Ziel bleibt, Infrastruktur zu stärken, ohne den Volkswillen erneut zu verletzen.