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Gefährdete Schlagkraft: Europas Aufrüstung scheitert am Rohstoffmangel

by Verena Steinberger
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Kritische Metalle als stille Voraussetzung militärischer Sicherheit – EU ringt mit globaler Abhängigkeit

Während Europa sich auf eine neue sicherheitspolitische Ära vorbereitet und Milliarden in Verteidigung investiert, zeigt sich ein kaum beachteter Schwachpunkt: Der Kontinent ist für seine militärischen Ambitionen auf Rohstoffe angewiesen, die er kaum selbst besitzt. Ob Aluminium in Flugzeugen, Titan in Panzern oder Lithium in modernen Kommunikationssystemen – ohne kritische Metalle sind europäische Rüstungspläne kaum realisierbar.

Die Zahlen sind alarmierend: Weniger als fünf Prozent seines Bedarfs kann die EU aus eigenen Quellen decken. Gleichzeitig steigen die Anforderungen: Allein der Verbrauch an Seltenerdmetallen soll sich bis 2030 versechsfachen.

China als dominanter Akteur

Die Rohstoffabhängigkeit der EU ist keine neue Erkenntnis – doch sie erhält durch Russlands Angriffskrieg und Chinas strategische Investitionen eine neue Dringlichkeit. China kontrolliert nicht nur große Vorkommen, sondern auch die weltweiten Veredelungsprozesse. Europa ist – Stand heute – bei zentralen Materialien wie Magnesium, Vanadium oder Scandium fast vollständig auf Lieferungen aus Fernost angewiesen.

„Unsere potenziellen Gegner haben oft die Vormachtstellung bei genau jenen Stoffen, die wir zur Verteidigung brauchen“, heißt es in einer Analyse des International Institute for Strategic Studies.

Die EU reagiert – mit begrenzten Mitteln

Die Antwort aus Brüssel lautet: Unabhängigkeit stärken. Der „Critical Raw Materials Act“, vorgestellt im Frühjahr 2024, will mehr Eigenförderung, mehr Recycling, mehr internationale Diversifikation. Bis 2030 soll ein Viertel des Bedarfs durch Wiederverwertung gedeckt werden. Zudem sollen Importabhängigkeiten von einzelnen Staaten auf maximal 65 Prozent begrenzt werden.

Doch die Herausforderungen sind enorm. Fachwissen, Infrastruktur und Genehmigungsverfahren fehlen – ebenso wie belastbare Partnerschaften mit alternativen Lieferanten. „Viele gute Absichten – aber die Umsetzung ist zäh“, urteilt Rebecca Lucas von RAND Europe.

Sicherheitsrisiko Versorgungskette

Auch die europäische Rüstungsindustrie warnt: Ohne stabile Rohstoffflüsse drohen massive Ausfälle bei Produktion und Modernisierung. „Der Zugang zu kritischen Metallen ist keine technische Frage – er entscheidet über Einsatzfähigkeit“, erklärt ein Sprecher des Branchenverbands ASD.

Einige Staaten reagieren bereits mit Notfallgesetzen: Frankreich verpflichtet Unternehmen zur Lagerhaltung, Spanien empfiehlt ähnliche Maßnahmen. Ein EU-weiter strategischer Vorrat erscheint wünschenswert – ist aber politisch wie technisch hochkomplex. Die sensiblen Anforderungen an Lagerung und Qualität erschweren einen gemeinsamen Ansatz.

Fazit: Ohne Materialien keine Verteidigung

Die Erkenntnis ist simpel: Keine Panzer, keine Drohnen, keine Kommunikationssysteme ohne seltene Metalle. Europas Sicherheit hängt längst nicht mehr nur von Raketen oder Budgets ab, sondern von der Verfügbarkeit unscheinbarer Rohstoffe. Und solange diese von geopolitischen Rivalen kontrolliert werden, bleibt Europas militärische Autonomie ein fragiles Versprechen.

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