Gigantische Ankündigungen und wirtschaftlicher Nationalstolz
Donald Trump erklärte einst, Zölle seien sein Lieblingswort. Doch seine wahre Leidenschaft gilt offenbar den Wirtschaftsinvestitionen. Im vergangenen Monat behauptete er, über 12 Billionen Dollar seien während seiner Amtszeit „praktisch zugesichert“ worden. Seinen politischen Maßnahmen – Zölle, Steuersenkungen und Deregulierung – schrieb er diese Entwicklung zu.
Sollte diese Zahl stimmen, hätte sich das Investitionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. 2024 meldete die US-Wirtschaft etwa vier Billionen Dollar an privaten Investitionen. Doch kann man diesen Aussagen Glauben schenken? Oder handelt es sich um übertriebene Selbstdarstellung?
Datenlage unklar, Wirkung fraglich
Es ist aktuell zu früh, um Trumps Versprechen verlässlich zu bewerten. Die US-Regierung veröffentlicht Investitionsdaten nur vierteljährlich. Die Zahlen von Januar bis März, also mit zwei Monaten unter Trump, zeigen zwar einen Anstieg. Doch Experten führen das teilweise auf statistische Verzerrungen durch einen früheren Streik bei Boeing zurück.
Auch andere Quellen deuten nicht auf einen dramatischen Investitionssprung hin. Laut Nick Bloom, Ökonom an der Stanford University, stammen nahezu alle sichtbaren Projekte aus dem Vorjahr. „Ich vermute, Investitionen sind leicht zurückgegangen – vor allem wegen großer Unsicherheit,“ erklärt er.
Ein Beispiel liefert der Schweizer Pharmakonzern Roche. Im April kündigte das Unternehmen Investitionen von 50 Milliarden Dollar über fünf Jahre an. Doch viele dieser Projekte befanden sich schon vor Trumps Amtsantritt in der Umsetzung. Die Führungsebene warnte außerdem: Trumps Vorschläge zur Medikamentenpreisgestaltung könnten Investitionspläne gefährden.
Große Worte, viele Lücken
Trump verweist gerne auf Investitionsversprechen namhafter Unternehmen wie Apple oder Hyundai. Das Weiße Haus veröffentlicht eine Übersicht dieser Ankündigungen. Anfang Juni lag die Summe bei etwa 5,3 Billionen Dollar – also deutlich unter Trumps Behauptung.
Bei näherem Hinsehen zeigt sich: Ein Drittel der 62 aufgelisteten Projekte wurde vor Trumps Amtsantritt angekündigt. Der US-Hersteller Corning etwa plant eine Investition von 1,5 Milliarden Dollar – der zentrale Teil, rund 900 Millionen, wurde bereits Anfang 2024 vorgestellt. Auch Stellantis kündigte 2023 die Wiedereröffnung eines Werks in Illinois an – nun erscheint es erneut auf Trumps Liste.
Zudem beinhalten viele Zusagen keine klassischen Investitionen. Apples „500-Milliarden-Dollar-Paket“ umfasst beispielsweise Steuerzahlungen und Gehälter. Auch eine Investitionszusage von ADQ und Energy Capital betrifft nicht ausschließlich US-Projekte.
Hinter den Kulissen: Weniger Substanz als versprochen
Laut einer Analyse von Goldman Sachs lag das realistische Investitionsvolumen Mitte Mai bei etwa 134 Milliarden Dollar. Wird das Risiko einkalkuliert, dass einige Projekte nie realisiert werden oder ohnehin geplant waren, bleiben nur rund 30 Milliarden übrig – ausgenommen davon sind Investitionen durch ausländische Regierungen.
Diese Summen sind zwar wirtschaftlich bedeutend, reichen aber nicht an die öffentlich verbreiteten Zahlen heran. Regierungssprecher Kush Desai erklärte, Kritik an den Angaben sei unbegründet. Die Regierung folge einer mehrdimensionalen Strategie, um Investitionen zu fördern – viele Unternehmen hätten Trumps Politik ausdrücklich als Antrieb genannt.
Politische Bühne statt wirtschaftlicher Substanz
Politische Übertreibung ist nicht ungewöhnlich. Doch Trumps tiefgreifende Eingriffe in den Markt, etwa durch Zölle, animieren Unternehmen, ihre Pläne öffentlich zu überzeichnen, erklärt Martin Chorzempa vom Peterson Institute for International Economics. Unternehmen könnten durch große Ankündigungen kurzfristig Vorteile erlangen – ohne sich zur Umsetzung verpflichten zu müssen.
Einfluss haben Trumps Maßnahmen durchaus. Drohungen mit Zöllen veranlassten einige Pharmakonzerne, über Produktionsverlagerungen in die USA nachzudenken. Doch diese Pläne betreffen vor allem teure Markenmedikamente. Günstige Generika, auf die viele Amerikaner angewiesen sind, stammen weiterhin aus China und Indien.
Stephen Farrelly, Branchenspezialist bei ING, warnt: Die langfristige Investitionsbereitschaft der Branche könnte unter politischen Unsicherheiten leiden – besonders bei Forschung, Preiskontrolle und Handelszöllen.
Langfristige Ursachen bleiben unbehandelt
Ökonomen prognostizieren für das laufende Jahr eine Verlangsamung des Investitionswachstums – unter anderem wegen unsicherer Rahmenbedingungen. German Gutierrez von der University of Washington unterstützt grundsätzlich Trumps Investitionsziele, kritisiert jedoch die falsche Fokussierung auf den internationalen Wettbewerb.
Seine Forschung zeigt: Der Investitionsrückgang ist auch Folge der Marktkonzentration. Große Konzerne dominieren ganze Branchen, wodurch der Druck zu investieren sinkt. Außerdem setzen Unternehmen zunehmend auf günstige digitale Lösungen wie Software statt auf Maschinen oder neue Fabriken.
Zölle seien zur Lösung dieses Problems ungeeignet, meint Gutierrez. „Die aktuelle Umsetzung und die verwendeten Mittel reichen nicht aus. Es braucht deutlich mehr, um Investitionen wirklich zu fördern“, resümiert er.