Kritik an überstürzter Gesetzgebung
Die EU-Kommission arbeitet mit Hochdruck an einem Gesetz zu kritischen Arzneimitteln, doch die Pharmaindustrie warnt vor übereilter Umsetzung. Gesundheitskommissar Oliver Várhelyi hatte versprochen, den Vorschlag innerhalb seiner ersten 100 Tage vorzulegen. Branchenvertreter kritisieren nun, dass eine übermäßige Eile zu unvorhersehbaren Folgen führen könnte.
Die geplante Veröffentlichung des Gesetzes am 11. März in Straßburg stößt auf Widerstand. Europäische Pharmaunternehmen bemängeln, dass die schnelle Entwicklung ohne ausreichende Konsultationen und Bewertungen erfolge.
Forderung nach umfassender Folgenabschätzung
Die Europäische Konföderation der Pharmaunternehmer (EUCOPE), die kleine und mittelständische Pharmaunternehmen vertritt, ruft die EU-Kommission dazu auf, den Prozess zu überdenken. In ihrer Stellungnahme betont EUCOPE, dass eine gründliche Analyse notwendig sei, um mögliche Störungen in den Lieferketten und regulatorische Risiken zu vermeiden.
Besonders umstritten ist die knappe Frist für Stellungnahmen, die am Donnerstag endete. Kritiker bemängeln, dass die kurze Zeitspanne keine angemessene Beteiligung der Industrie ermögliche. Ein überhastetes Verfahren könnte wichtige Aspekte wie Medikamentenverfügbarkeit und Preisentwicklung übersehen.
Das Gesetz soll schwerwiegende Engpässe bei essenziellen Medikamenten wie Antibiotika, Insulin und Schmerzmitteln bekämpfen. Ein Fokus liegt auf der Absicherung von Lieferketten, insbesondere für Arzneimittel, die nur von wenigen Herstellern produziert werden.
„Wir fordern die Kommission auf, den Zeitplan zu überdenken und vor der Veröffentlichung eine umfassende Folgenabschätzung durchzuführen“, erklärte das deutsche Pharmaunternehmen Bayer. Bayer ist Mitglied der Critical Medicines Alliance, einer im April 2024 gegründeten Interessengruppe mit 250 Stakeholdern, die Schwachstellen in den Lieferketten untersucht.
Wachsende Kritik an der EU-Strategie
Seit 2022 sind Folgenabschätzungen ein fester Bestandteil der evidenzbasierten Gesetzgebung in der EU. Dennoch kritisiert der Schweizer Pharmakonzern Roche, dass die EU-Kommission in diesem Fall auf eine umfassende Prüfung verzichtet habe. Roche bezeichnete dies als „schwerwiegenden Fehler“ bei der Bewertung der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Gesetzes.
„Diese Faktoren sollten durch eine detaillierte Folgenabschätzung ermittelt werden und nicht auf Basis von Pilotprojekten, Ad-hoc-Berichten oder strategischen Einschätzungen der CM Alliance“, so Roche.
Die EU-Kommission argumentiert, dass die dringende Notwendigkeit zur Bekämpfung von Arzneimittelengpässen eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes rechtfertige. Branchenvertreter halten dagegen, dass die vorliegenden Daten nicht ausreichen, um die weitreichenden Auswirkungen des Gesetzes adäquat zu bewerten.
„Wir können die Veröffentlichung des Gesetzes ohne eine umfassende Folgenabschätzung nicht unterstützen“, betonte EUCOPE.
Auch andere Organisationen, darunter der Europäische Verband der Pharmaunternehmen und -verbände (EFPIA) sowie das japanische Pharmaunternehmen Takeda, fordern eine gründliche Überprüfung. Die anhaltende Kritik zeigt, dass die Industrie große Bedenken gegenüber einer überstürzten Einführung des Gesetzes hat.