Überschreitung der 1,5-Grad-Marke rückt näher
Das weltweite Ziel, die Erwärmung der Erde auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, scheint zunehmend unerreichbar. Experten warnen, dass 2024 das erste Jahr werden könnte, in dem diese kritische Schwelle überschritten wird. Während die COP29 in Baku erneut die Dringlichkeit des Handelns betont, bleibt der Fortschritt hinter den Anforderungen zurück.
Führende Klimaforschungsinstitute berichten, dass 2024 voraussichtlich 2023 als das wärmste Jahr aller Zeiten ablösen wird. Damit würde sich die Reihe der letzten zehn Jahre als die heißesten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen fortsetzen.
Das 1,5-Grad-Ziel und seine Bedeutung
Das 1,5-Grad-Ziel wurde 2015 im Pariser Abkommen als Maßnahme zur Verhinderung der schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels festgelegt. Für viele Inselstaaten ist es eine existenzielle Frage. Doch mittlerweile warnen Wissenschaftler wie Zeke Hausfather von Berkeley Earth, dass das Ziel „praktisch nicht mehr erreichbar“ sei.
Hausfather erklärte: „Wir haben zu lange gezögert, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.“ Selbst wenn ein einmaliges Überschreiten der 1,5-Grad-Schwelle technisch noch kein Bruch des Pariser Abkommens sei, verdeutliche es dennoch die dramatischen Folgen unzureichender Klimapolitik.
Rekord-CO2-Emissionen als Hauptursache
Trotz der Bemühungen um Emissionsreduzierung steuern die globalen CO2-Emissionen auf einen neuen Rekord zu. Selbst wenn alle nationalen Klimaziele eingehalten würden, könnte die Erde bis Ende des Jahrhunderts um 2,7 Grad Celsius wärmer werden. Die Folgen wären verheerend: häufigere extreme Wetterereignisse, Überschwemmungen, Hitzewellen und eine globale Nahrungsmittelkrise.
UN-Generalsekretär António Guterres warnte auf der COP29 vor einer „Lehrstunde in Klimazerstörung“ und rief zu schnelleren, entschlosseneren Maßnahmen auf. Besonders besorgniserregend ist die Möglichkeit, dass eine erneute Präsidentschaft von Donald Trump in den USA die globale Erwärmung um zusätzliche 0,04 Grad beschleunigen könnte.
Fortschritte bei erneuerbaren Energien geben Hoffnung
Trotz der ernsten Warnungen gibt es auch positive Entwicklungen. Der weltweite Ausbau erneuerbarer Energien schreitet zügig voran. Die globale Nachfrage nach Öl könnte noch in diesem Jahrzehnt ihren Höhepunkt erreichen. Einige Experten sehen die Klimapolitik heute auf einem besseren Weg als vor einem Jahrzehnt, als noch eine Erwärmung von mehr als 4 Grad Celsius realistisch schien.
Der belgische Premierminister Alexander De Croo betonte auf der COP29, dass die Fortschritte ermutigend seien, auch wenn der Weg noch weit sei. „Wir müssen das Tempo weiter erhöhen“, sagte er.
Gefahr durch Kipppunkte des Klimasystems
Das Überschreiten der 1,5-Grad-Marke birgt das Risiko, sogenannte Kipppunkte des Klimasystems zu erreichen. Diese Punkte können irreversible Veränderungen wie das Absterben des Amazonas-Regenwaldes, den Verlust polaren Eises oder die Freisetzung großer Mengen CO2 durch schmelzenden Permafrost auslösen. Solche Veränderungen könnten das globale Klimasystem weiter destabilisieren.
Grahame Madge vom britischen Met Office warnte: „Diese Kipppunkte sind wie Schatten, die auf uns zukommen.“ Je länger die globale Erwärmung ungebremst bleibt, desto wahrscheinlicher wird das Eintreten solcher kritischen Ereignisse.
Handlungsdruck: Emissionen weiter senken
Obwohl das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels immer unwahrscheinlicher wird, bleibt die Reduzierung von Emissionen entscheidend. Jede heute ergriffene Maßnahme hat direkte Auswirkungen auf die Zukunft des Planeten. Klimaforscher betonen, dass jedes vermeidbare Zehntelgrad von großer Bedeutung sei, um katastrophale Folgen abzumildern.
Zeke Hausfather fasste zusammen: „Je weiter wir das Klimasystem destabilisieren, desto schlimmer werden die Konsequenzen.“ Auch wenn der aktuelle Kurs entmutigend erscheint, bleibt der Klimaschutz eine der dringlichsten Herausforderungen der Menschheit.